Die Spinne und ihr Netz

Spinne
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Fine-Art „Giclée“-Druck auf Leinen – gespannt auf 2 cm Holzkeilrahmen

Illustration von Roman Kroke (2009)

Maße: 40 cm x 30 cm

Titel: Sprache frei wählbar  – bei Ihrer Bestellung bitte angeben (Vorschau: Französisch)

Erläuterungen des Künstlers zur Illustration:

Die Illustration entstand auf Grundlage folgender Zitate aus Etty Hillesums Tagebuch:

„Ich will dieses Jahrhundert kennenlernen, von außen und von innen. Ich betaste dieses Jahrhundert, jeden Tag aufs Neue, mit meinen Fingerspitzen taste ich an den Konturen der Zeit entlang. (…) Aber dann auch immer wieder das Gefühl, als müssten alle Probleme dieser Zeit im Besonderen und der Menschheit im allgemeinen ausgerechnet in meinem kleinen Kopf ausgetragen werden.“

4. September 1941

„Ich möchte lange leben, um es später doch noch einmal erklären zu können, und wenn mir das nicht vergönnt ist, nun, dann wird ein anderer mein Leben von dort an weiterleben, wo das meine unterbrochen wurde, und deshalb muss ich es so gut und so überzeugend wie möglich weiterleben bis zum letzten Atemzug, so dass derjenige, der nach mir kommt, nicht ganz von neuem anfangen muss und es nicht mehr so schwer hat. Tut man damit nicht auch etwas für die nachkommenden Geschlechter?“

3. Juli 1942

„Ich will mal versuchen, euch zu beschreiben, wie mir zumute ist (…). Wenn eine Spinne ihr Netz webt, wirft sie dann nicht die Hauptfäden vor sich aus und klettert selbst hinterher? Der Hauptweg meines Lebens erstreckt sich ein gutes Stück vor mir aus und reicht bis in eine andere Welt. (…) ich (…) baue bereits mit an einer Gesellschaft nach der jetzigen.“

3. Juli 1943

Die ausgewählten Zitate zeugen in besonders anschaulicher Weise von Etty Hillesums Selbstverständnis als Zeitzeugin und Übermittlerin von Erkenntnissen an zukünftige Generationen. Sie begreift die Probleme ihrer Zeit als Phänomene, die auch in einem anderen nationalen, kulturellen oder religiösen Kontext von Bedeutung sein können. Dies erklärt, warum sich Etty bei der Dokumentation ihres Reifeprozesses nicht nur mit der Geschichte der Shoah sondern vor allem auch mit universellen Werten auseinandersetzt. Ihre Beweggründe, ein Tagebuch zu schreiben, versucht Etty mit einem Bild zu erklären: Sie vergleicht diese Arbeit mit einer Spinne, die ihr Netz webt. Das Bild der Spinne und des Spinnennetzes sind in der Regel negativ besetzt – gängige Assoziationen sind etwa eine Bedrohung, eine Falle oder die Gefahr, verstrickt zu werden. In der Metaphern-Welt Etty Hillesums geht es jedoch um eine Neuinterpretation dieser Bilder: Etty versteht die Spinne als ein schöpferisches Wesen, als Baumeister eines (Gedanken-) Werkes. Etty hofft, dass die Erkenntnisse, die sie in ihrem Tagebuch niederschreibt, in eine andere Welt hineinreichen. Mit ihrem Tagebuch möchte sie einen Faden auswerfen, den zukünftige Generationen aufgreifen können, so dass ihr spirituelles Vermächtnis auch nach ihrem Tod Anknüpfungspunkte für eine bessere Gesellschaft bieten mag. Dieser von Etty gezogene Vergleich zwischen ihr und einer Spinne bzw. ihrem Tagebuch und einem Spinnennetz ist für mich zur zentralen Bildmetapher gereift. Sie zieht sich wie ein roter (Spinnen-)Faden durch die Illustrations-Serie und kann in vielen der anderen Bilder wiederentdeckt werden – etwa in den Illustrationen „Angst“, „Blumen“, „Richtung Osten“, „Das denkende Herz“ und „Zukunft“.

 Die Gesichter am oberen rechten Bildrand der Illustration sind Skizzen nachempfunden, wie sie auch in Ettys Original-Tagebüchern zu finden sind. Bei der Handschrift, die aus Ettys Stift in die Zukunft schwingt, habe ich mich ebenfalls am überlieferten Original orientiert.

Auf der rechten Seite des Tagebuchs ist schließlich ein „S.“ zu erkennen; ein Symbol für den prägenden Einfluss des jüdischen Psychochirologen Julius Spier auf Ettys spirituelle Entwicklung. Spier war ihr Mentor, Freund und Geliebter. Ettys Entscheidung, ein Tagebuch zu führen, ist wohl auf sein Anraten zurückzuführen. Im Tagebuch bezeichnet sie ihn mit „S.“.